Lubo hat geschrieben:Ich glaube zwar nicht, dass man, wenn man alle Parameter (Lebensumstände, Gene usw.) kennt, irgendwann jedes Verhalten eines Menschen vorhersagen kann. Ein bisschen Zufall ist dann eben doch noch dabei. Und man wird das wohl nie in einer Art Formel vorherberechnen können.
Aber ich glaube eben, dass es Zufall ist (oder vielleicht eine höhere Macht??), in welche Richtung es geht.
Die Sache ist halt wie gesagt, dass, wenn man es zuende denkt, jede Form von Erklärung für das Verhalten von Menschen, die nicht von einer gewissen Entscheidungsautonomie ausgeht, letztlich eine Absage an die individuelle Verantwortlichkeit bedeutet. Egal ob es nun die Lebensumstände, der Zufall oder eine höhere Macht sein mögen, die das Handeln des Menschen determinieren, es sind alles externe Faktoren, es findet hier in letzter Konsequenz also eine Auslagerung der Verantwortung vom Menschen selber auf externe Kräfte statt, zu deren Spielball er damit etwas überspitzt formuliert degradiert wird.
Um mal ein Beispiel zu machen, sollte man es jemals schaffen, einen Kriegsverbrecher wie Putin vor Gericht zu stellen und der Gräueltaten, die auf seinen Befehl hin verübt wurden, anzuklagen, dann könnte er sich nach diesem Muster doch immer darauf berufen, dass letztlich nicht er selbst aus innerer und autonomer Entscheidung heraus diese Dinge zu verantworten hat, sondern andere, äußere Kräfte, deren ausführende Hand er am Ende nur war. Und so könnte jeder Verbrecher argumentieren, in einer Welt des reinen Determinismus müsste man die Umstände, den Zufall oder das höhere Wesen anklagen aber es wäre geradezu unfair die Person haftbar zu machen.
Natürlich ist das jetzt sehr plakativ und holzschnittartig, tatsächlich kennt das Strafrecht ja auch "mildernde Umstände" (generell ja auch gut und richtig, auch wenn man über manche Einzelfälle durchaus streiten kann), aber die Letztverantwortung muss eben beim Individuum verbleiben. Und das geht letztlich nur, wenn man davon ausgeht, dass der Mensch die objektive Fähigkeit besitzt, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entscheiden, und dass es selbst wenn jemanden alle seine Lebensmotive zur Tat trieben, immer noch die Möglichkeit für ihn gäbe, Nein zu sagen. Klar, selbst dieses Neinsagen muss durch irgendetwas motiviert sein, sonst wäre es ja auch wieder zufällig, aber das ist dann nochmal ein anderes Thema.
Lubo hat geschrieben:Die ganze Entwicklung eines Menschen ist doch maßgeblich von seinem Umfeld bestimmt. Ein Schritt folgt auf den nächsten und jeder Schritt ist doch irgendwie von dem vorherigen abhängig. Du wächst in einem vorherbestimmten Umfeld auf, wählst Freunde nach Deinen Interessen (die sind evtl. schon durch die Eltern beeinflusst), wirst von Lehrern und anderen "Vorbildern" geprägt und alle tauchen doch irgendwie zufällig in Deinem Leben auf. Wann welche Person auf Dich Einfluss nimmt bzw. Deine Entscheidungen beeinflusst, Zufall! Deine Entscheidungen wiederum bestimmen über Deinen Lebensweg und dieser wiederum über Deine Entscheidungen.
Auch wenn Du Dich zurücklehnst, alles analysierst und ständig versuchst als "Schmied" die richtige Rezeptur zu finden. Letztlich sind doch alle Gedanken in Deinem Kopf zufällige Prozesse.
Ich zitiere an dieser Stelle mal Schopenhauer, der meiner Meinung nach ziemlich kluge Sachen über den freien Willen geschrieben hat: „Der Mensch kann zwar tun was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“
Wenn wir das Wort "bestimmen" durch "beeinflussen" ersetzen bin ich voll dabei. Klar, all diese externen Einflüsse gibt es permanent vom Moment unserer Geburt (wahrscheinlich sogar schon unserer Zeugung) an, sie spielen eine riesige Rolle in unserem Leben und sie prägen damit natürlich auch unsere Gedanken und unser Wollen. Aber "Bestimmen" beinhaltet für mich so eine Zwangsläufigkeit und Unausweichlichkeit, die ich aus den oben genannten Gründen gefährlich finde. Ich glaube, dass wir am Ende trotz aller äußeren Einflüsse die innere Freiheit haben, uns zu unseren Wünschen auf die eine oder auf die andere Weise zu verhalten, dafür oder dagegen zu entscheiden. Sonst wüsste ich einfach nicht, was uns noch groß´von ferngesteuerten Robotern unterscheiden würde.